Eine Schülergruppe wandert in 7 Tagen über die Alpen. Von Oberstdorf nach Meran. Ein gemeinsamer
Wille, ein gemeinsames Ziel und ein gesamtes Jahr Vorbereitung. Ermöglicht wurde dieses besondere
Projekt durch unsere Sponsoren, Eltern und Lehrer.
Vorbereitung:
Innerhalb des vorangegangenen Jahres hatte unser Team eine große Aufgabe – wir mussten
Sponsorenakquise betreiben, uns körperlich auf die anstehenden Strapazen vorbereiten und Knowhow
über das Wandern sammeln. Wir nahmen zusätzlich an einem Sicherheitsseminar der Sektion Duisburg
des Deutschen Alpenvereins (DAV) teil und machten zwei ganztägige Probewanderungen mit Gepäck
in der nahen Umgebung, um einschätzen zu können, was uns Ende August bevorstehen wird. Hierzu
standen uns zwei engagierte und wanderbegeisterte Lehrer zur Seite, Frau Bruckwilder und Herr
Knobloch, die selbst erfahrene Bergwanderer sind. Diese beiden hatten die Alpentour bereits vor zwei
Jahren mit einer Gruppe vor uns durchgeführt und wussten (wortwörtlich), wo es langgeht. Während
der Wanderung unterstützte uns zusätzlich Herr Knoblochs Onkel: Detlef aus Hannover (top Typ).
Es geht los:
Am 24.08.2023 ging es für unsere Truppe früh los, schon um sechs Uhr fuhr unser ICE am Duisburger
Hauptbahnhof ab. Nach einer (rührenden) Verabschiedung von den Eltern stiegen wir in den Zug
Richtung Süden. Auf dem Weg kam es zu einigen Komplikationen mit der Deutschen Bahn – aber das
sind wir ja gewohnt. Letztendlich haben wir es alle unversehrt nach Oberstdorf geschafft, dem
Ausgangspunkt unserer Wanderung. Von da aus ging es bei bestem Sonnenschein in unserer ersten
Etappe nach Spielmannsau, eine Strecke von etwa elf Kilometern und 250 Höhenmetern. Beim
Wandern wurde uns ziemlich warm und zufälligerweise wanderten wir direkt an einem Gebirgsbach
vorbei. Den haben wir dann bei einem erfrischenden Bad getestet. Resümee: sehr kalt.
Die ersten Eindrücke sind die, die wir niemals vergessen werden. Vor einem Berg stehen und
hochzuschauen, ist im ersten Moment extrem surreal – und bleibt es auch. Die Landschaft ist massiv
und sieht aus, wie aus einem mächtig guten Dokumentarfilm – genau so perfekt, wie man es sich
vorgestellt hat.
Innerhalb der Gruppe war die Stimmung spaßig, es gab mehr als genug leckeres Essen auf der Hütte
und abends wurden bis zur Bettruhe mit der Gruppe Spiele gespielt. Highlight: man versteht kein Wort
der Hüttenangestellten. Sie sprechen einen wirklich sonderbar ausgeprägten Akzent. (Dabei waren sie
total nett und mindestens genauso ausgeprägt gastfreundlich).
Erste Gebirgswanderung:
Am folgenden Tag stand die erste richtige Gebirgswanderung an, mit der Edelweiß-Hütte in Kaisers als
Zielort. Nachdem wir bestens gelaunt zu Mariokart-Musik aufgestanden waren, gab es ein leckeres und
stärkendes Frühstück, wovon wir im Laufe des Tages sehr profitiert haben – es wurde nämlich richtig
anstrengend. Wir mussten morgens schnell loskommen, da für den Nachmittag ein Gewitter
angekündigt war. Das nahmen einige sehr ernst und so kam es zu einer teilweisen Separierung unserer
Gruppe aufgrund der verschiedenen Lauftempi. Während des Wanderns passierten wir die deutsch-
österreichische Grenze sowie die größte Hängebrücke im Alpenraum. Diese überquerte eine Schlucht
und war 200 Meter lang sowie bis zu 110 Meter hoch und war extrem wackelig. Herr Knobloch hat es
geschafft seine Drohne an diesem Tag zwei Mal (!) abstürzen zu lassen, am Berg und in einen Bach rein.
Sie fliegt erstaunlicherweise trotzdem noch. Wir haben in Holzgau-Dorf einen Zwischenstopp gemacht
und hier mussten schwierige Gespräche geführt werden: Zwei Teammitglieder mussten voraussichtlich
abreisen, aufgrund von körperlichen Komplikationen sowie Krankheit. Ab dem Punkt war die Stimmung
etwas angeknackst, aufgemuntert hat uns eine fantastische Hütte mit freundlichen Mitarbeitern und
großartiger Unterbringung.
Tag drei:
Nach der Abholung der zwei betroffenen Gruppenmitglieder durch ihre Eltern am nächsten Morgen
ging es mit einem anstrengenden Serpentinenanstieg weiter, bis zu einer Pause am Kaiserjochhaus.
Einige von uns hatten jedoch noch größere Pläne: das erste Gipfelkreuz stand an. Gipfelkreuze sind
immer am höchsten Punkt eines Berges angebracht und markieren somit die Spitze. Während der
Großteil der Truppe also gemütlich Kaiserschmarrn gemümmelt hat, erklommen ein paar Verrückte den
Hirschpleiskopf, einen „kleinen, aber giftigen Gipfel“. Das beschreibt ihn ganz gut. Wieder vereint folgte
ein langer und schwieriger Abschnitt zur Leutkicher Hütte. Wir mussten uns beeilen, da wieder ein
Gewitter angekündigt war, erreichten aber gut die nächste Unterkunft. Hier mussten die Lehrer die Tour
umplanen, da für den übernächsten Tag ein massiver Wetterumschwung mit reichlich Schneefall in den
Höhenlagen angekündigt wurde, wodurch die Braunschweigerhütte für uns nicht mehr erreichbar war.
An diesem Tag war außerdem einer der ersten Momente, an denen wir die Wolkendecke durchstoßen
hatten und wir uns deshalb unglaublich fühlten, mal abgesehen von den Schmerzen beim Laufen, war
das Wandern über den Wolken fantastisch.
Das Wetter schlug um:
Am nächsten Tag wurde uns klar,
dass wir bisher tadelloses Wetter
hatten. Komplett in
Regenklamotten eingepackt,
stapften wir durch den Regen und
versuchten auf den Wegen nicht
auszurutschen. Nach vielen
Stunden Wandern nahmen wir ab
Sankt Anton einen Bus nach Zams
und erreichten zur Abwechslung
von den Murmeltieren mal wieder Zivilisation. Im Anschluss an eine Stärkung im örtlichen McDonald’s ging es mit der Venetbahn zur
Skihütte Zams. Wir erkundeten die Gegend und konnten zusammen mit den Lehrern sogar in einem
Speichersee direkt am Berg mit einer Bilderbuchaussicht baden gehen. Nass waren wir ja schon.
Anekdote: andere Hüttengäste hatten unsere Hüttenschlappen geschnappt als wir unterwegs waren
und wir mussten beim Abendessen auf Socken herumfragen, wer sie hatte. Die „Täter“ waren zunächst
ganz begeistert, dass die Skihütte Adiletten für alle hatte.
Doch es ging noch schlimmer
Gestern war viel Regen? Weit verfehlt. Heute war mehr Regen. Nachdem sich die Lehrer gegen den
verkürzten Weg („Ganz ohne Wandern geht’s dann auch nicht“) entschieden hatten, sind wir noch zum
Venetgipfel hoch. Diese Erfahrung lässt sich treffend mit einem Weltuntergang vergleichen. Die
Wanderlust wandelte sich relativ fix hin zum puren Überlebenswillen. Bei Sturm mit Hagel,
Temperaturen knapp über Null und peitschendem Wind kämpften wir uns mit geröteten Gesichtern
den Berg hinauf. Manche hatten das Pech zusätzlich mit Wasser in den Schuhen laufen zu müssen. An
dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Lehrer und Detlef – die blieben standhaft und holten das
letzte Fünkchen Energie aus uns (und sich selbst) raus, kümmerten sich um die, für die es nicht mehr
ging, und machten die persönlichen Erfolge bei dieser prägenden Grenzerfahrung überhaupt erst
möglich. Nachdem das Unwetter und der Dauerregen vorbei waren, folgte eine gefühlte
Sumpfüberquerung. Am Ende dessen versprach sich eine Hütte als erste Anlauf- und Trocknungsstelle.
Diese war allerdings geschlossen und die nächste ‚Viertelstunde‘ zur Larcher Alm brach an. Letztendlich
kamen wir alle wohlbehalten dort in einer Jurte mit offenem Kamin an und konnten uns aufwärmen.
Hier stand dann die nächste Herausforderung an: es hatte nämlich nicht nur bei uns auf dem Gipfel
mieses Wetter gegeben, sondern in großen Teilen Tirols. So waren einige Täler überflutet und wir alle
zusammen mussten die Tour erneut umplanen, denn weder Pitz- noch Ötztal waren passierbar. Nach
viel Kopfzerbrechen, etlichen Telefonaten und einem Hin und Her der Abwägungen landeten wir in
einem 4-Sterne-Hotel in Imst, welches sich als Notfallunterkunft für diese Extremwetterlagen zur
Verfügung stellte. Beschwert haben wir uns nicht, dazu waren wir zu sehr mit dem Pool beschäftigt. ☺
Nach einer sehr erholsamen Nacht wurde an Tag sechs Plan C umgesetzt:
Netterweise bot das Hotel uns auch einen Transferservice an, mithilfe dessen wir über den Reschenpass
auf die Alpensüdseite gelangen konnten. So liefen wir letzten Endes noch eine völlig neue Route:
nämlich den Meraner Höhenweg ab Naturns. Dieser ist eher
touristisch geprägt und war nach den Strapazen der vergangenen Tage
eine willkommene Abwechslung. Bei fantastischer Aussicht und
wieder angenehmem Wetter passierten wir die Tausend-Stufen-
Schlucht bis zu unserer letzten Berghütte, die Schutzhütte Nasereit.
Hier gab es mehrere riesige Wasserfälle in der Nähe der Hütte und
eine Kuh hat uns sogar beim Essen durchs Fenster beobachtet. Abends
ergab sich ein sehr netter Plausch mit den Lehrern und es war allen
die Erleichterung einer machbaren Fortsetzung der Tour anzumerken.
Angesichts der erfolgreichen Bewältigung der Strapazen fiel viel
Anspannung von uns ab und wir freuten uns sehr auf Meran.
Letzter Wandertag:
Am letzten Wandertag liefen wir in sechseinhalb Gehstunden bis zum Rand voll mit den Erlebnissen der
vergangenen Woche in Meran ein. Dabei benutzten wir für einen kleinen Teil der Strecke den
nostalgischen Korblift Vellau, der eine der außergewöhnlichsten Aufstiegsanlagen in Südtirol und
einmalig auf der Welt ist. Er befindet sich in Vellau bei Algund und wurde speziell für Wanderer
entwickelt und erinnert vom Aussehen ein wenig an einen Einkaufswagen. In den kleinen grünen
Gitterkörben kann man bequem zu zweit hintereinanderstehen und schwebt dann langsam über
Wiesen und durch ein Waldstück hinunter zum Gasthaus Gastgeiger. Der Korblift besteht komplett aus
Lochgitter und reicht etwa bis zur Brust. So kann man die schöne Landschaft und den herrlichen
Ausblick genießen und während der Fahrt tolle Fotos machen. Der Boden besteht ebenfalls aus
Lochgitter und ist nahezu durchsichtig. Unten angekommen liefen wir durch wunderschöne
Weinberge, die einem mediterranen Flair vermittelten. Nach der Ankunft im Hotel, erkundeten wir die
Stadt in Kleingruppen und trafen uns abends wieder zum gemeinsamen Restaurantbesuch.
Tag in Meran:
Am nächsten Tag ging es weiter, zunächst für alle gemeinsam in der Therme und später in der Meraner
City. Abends richteten wir am idyllischen Flussufer ein Gruppenpicknick ein und genossen gemeinsam
den letzten Abend.
Tag der Abreise:
Nach unserer zweiten Nacht in der Jugendherberge Meran machten wir uns wieder auf zur Bahn. Über
Bozen und München ging es zurück nach Duisburg. Beim Umsteigen in München mussten wir uns von
Detlef trennen, welcher uns in der Zeit sehr ans Herz gewachsen war. Unsere Familien vermissten wir
natürlich und dementsprechend schön war die Rückkehr und der Empfang in Duisburg nach einem
langen Tag mit der Bahn.
Fazit:
Auch wenn es an manchen Stellen schwierig war – wir sind sehr froh darüber diese Tour gemacht zu
haben und sind dankbar für die einzigartigen Eindrücke und Erfahrungen (auch über uns selbst), die wir
auf der Reise sammeln durften. Das Gefühl, nach einem langen Wandertag in einer gastfreundlichen
Hütte anzukommen und die dicken Wanderschuhe auszuziehen, werden wir sicherlich nie wieder
vergessen. Auch das Vertrauen und die gegenseitige Hilfsbereitschaft, welche in Extremsituationen so
unentbehrlich sind, durften wir hier zum ersten Mal geben und erleben. Umso schmerzhafter ist das
Wissen, dass zwei von unserem Team nach einem ganzen Jahr harter Vorbereitung im Endeffekt doch
nicht komplett an dieser Reise zu sich selbst teilhaben konnten. Als ein echtes Team waren wir nämlich
auch schon im Laufe des Vorbereitungsjahres zusammengewachsen.
Einige unter uns haben das Wandern für sich entdeckt und freuen sich, darauf gestoßen zu sein und
auch in Zukunft Wandern zu gehen. Es gibt für uns kein besseres Projekt, um einen Einblick ins Wandern
und in Europas höchstes Gebirge zu bekommen. Danke sehr an alle, die dieses Projekt möglich gemacht
haben, von den großzügigen Sponsoren, über unsere Familien bis hin zu den Lehrern, die uns gut
vorbereitet und durch dieses Abenteuer begleitet und wirklich alles gegeben haben. 10/10 wir können
es empfehlen!