Seitenstechen

Ein Gastbeitrag

Wer von euch kennt es nicht? Ihr macht Sport, und plötzlich spürt ihr einen stechenden Schmerz im Bauch, der euer Training bremst oder euch sogar zu einer Pause zwingt: Seitenstechen oder auch Seitenstiche, stitch oder side stitch genannt. Lästig, aber zum Glück nicht gefährlich. Und obwohl es fast jeden Sportler und fast jede Sportlerin mal trifft, weiss man wenig über das Thema. In diesem Beitrag fassen wir die häufigsten Fragen und Antworten für euch zusammen.

Seitenstechen wird in der Sportmedizin als ETAP (exercise-related transient abdominal pain) bezeichnet. Typisch sind während des Sports plötzlich auftretende, meist stechende, krampfartige oder ziehende Schmerzen, seltener dumpfe Missempfindungen. Die Beschwerden sind zu 80% gut lokalisierbar, manchmal diffus. Am häufigsten treten sie im Mittel- bis Oberbauch entlang des Rippenbogens auf, seltener im Unterbauch. Die rechte Seite ist häufiger betroffen. Typisch ist, das die Schmerzen schon nach kurzer Zeit wieder von alleine verschwinden.

WICHTIG, vor allem für ältere Sportler: Verschwinden die Schmerzen trotz Laufpause nicht, zeigt sich ein untypischer Verlauf mit Beschwerdezunahme oder neuen Symptomen trotz Pause oder bietet sich ein ungewöhnliches Beschwerdebild, zum Beispiel mit Schmerzausstrahlung in Arme oder Kiefer, Schwindel oder Kreislaufproblemen, sollte man unmittelbar medizinische Hilfe aufsuchen.

Obwohl im Durchschnitt ca. 2/3 der Laufsportler innerhalb eines Jahres von dem Schmerz getroffen werden, ist die genaue Ursache weiterhin unbekannt. Zum einen gibt es nur wenige Studien, die sich mit diesem Thema befassen, zum anderen ist das Seitenstechen schwer zu untersuchen, da es so schnell wieder verschwindet.
Seit mehreren Jahren werden vor allem mechanische Reizungen des Bauchfells und neurogene Schmerzen als Ursachen diskutiert. Verdauungsstörungen und mechanische Belastung im Bauchraum gelegener Bandstrukturen können jeweils gut einzelne, aber nicht alle Symptome erklären. Die früher häufig zur Erklärung herangezogenen Muskelkrämpfe oder Durchblutungsstörungen des Zwerchfells konnten inzwischen durch Muskelaktivitätsmessungen (EMG) und Zwerchfellbeobachtungen mit Roentgenstrahlen ursächlich weitestgehend ausgeschlossen werden.

Seitenstiche treffen häufiger jüngere Sportler als ältere. Ein besserer Trainingszustand reduziert die Häufigkeit des Auftretens, verhindert es aber nicht. Menschen mit schwächerer Bauch- und Rumpfmuskulatur sind anfälliger für Seitenstechen. Körpertyp, BMI (body mass index) und Geschlecht haben wahrscheinlich keinen Einfluss. Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme vor dem Training können Seitenstechen provozieren, wobei isotone Flüssigkeiten seltener Symptome provozieren als Wasser oder hypertone Flüssigkeiten. Unzureichende Aufwärmübungen oder kühle Umgebungsbedingungen konnten bisher nicht als Risikofaktoren belegt werden.

Zur Vorbeugung von Seitenstechen sollte mindestens 1 – 2 Stunden vor dem Training auf größere Mengen Flüssigkeit und Nahrung verzichtet werden. Während des Trainings werden kleine, aber regelmäßige Flüssigkeitsmengen besser vertragen als große Einzelmengen. Hypertone Getränke sollten vermieden werden, am verträglichsten sind isotone Flüssigkeiten. Krafttraining der Bauch- und Rückenmuskulatur verringert das Auftreten von Seitenstechen im Laufe der Zeit.

 
 

Wissenschaftlich belegt ist keine dieser Methoden, aber erfahrene Sportler haben folgende Tipps: Tritt Seitenstechen auf, können neben einer Belastungsreduktion oder Trainingspause tiefe Atemzüge, Druck auf das schmerzende Areal mit der Hand, Stretching der betroffenen Seite und Vorwärtsbeugen des Rumpfes für Schmerzlinderung sorgen.

Das Zentrum für Sportmedizin Münster hat eine Broschüre zum Thema Seitenstiche veröffentlicht:
https://zfs-muenster.de/wp-content/uploads/2020/05/42tipps-tipp-7-seitenstiche.pdf

Ein umfassender Übersichtsartikel von Morton und Callister aus dem Jahr 2015 (die Grundlage für diesen Beitrag) ist kostenlos im Internet verfügbar:
Morton D, Callister R. Exercise-related transient abdominal pain (ETAP). Sports Med. 2015 Jan;45(1):23-35. doi: 10.1007/s40279-014-0245-z. PMID: 25178498; PMCID: PMC4281377
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4281377/pdf/40279_2014_Article_245.pdf

Ein neuer Forschungsansatz: Haben Stress und Angst etwas mit Seitenstechen zu tun?
Wynne JL, Wilson PB. Thorn in Your Side or Thorn in Your Head? Anxiety and Stress as Correlates of Exercise-Related Transient Abdominal Pain. Clin J Sport Med. 2022 Sep 1;32(5):471-475. doi: 10.1097/JSM.0000000000001000. Epub 2021 Dec 7. PMID: 36083326.

stepa

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